Die Vorzeichen vor der Partie beim Tabellennachbarn Recklinghausen standen extrem ungünstig, denn Marko Boksic konnte bereits die zweite Woche in Folge nicht trainieren und Milen Zahariev hatte erst am Freitag Abend einen MRT Termin gehabt, in dem ihm trotz anhaltender Schmerzen in der Kniekehle grünes Licht für Samstag gegeben wurde.
Da auch Center Lennard Jördell krank geschrieben gewesen ist, war ein ordnungsgemäßer Trainingsbetrieb mit dieser Rumpftruppe kaum möglich gewesen, doch ein Sieg musste dennoch her - wollte man mit einem ausgeglichenen Punktekonto von 8:8 nicht im Mittelfeld der Tabelle versacken.
Den besseren Start erwischten allerdings die Hausherren, bei denen 2,13 Mann Theodore Turner die ersten beiden Körbe erzielte, doch zwei Dreier von Farid Sadek und dem von der Bank gekommenen Marko Boksic führten in der 8. Minute zum 18:11. Grund für Citybasket Coach Hülsmann die erste Auszeit zu nehmen. Diese zeigte auch durchaus Wirkung, denn das erste Viertel endete knapp mit 19:16.
Kaum hatten die Unparteiischen aber wieder angepfiffen, da legten die Dickhäuter los wie die Feuerwehr. Erneut waren es Sadek und Boksic, die sicher zum 30:20 punkteten und wieder hieß es Auszeit Recklinghausen. Innerhalb weniger Minuten war die komfortable Führung auf drei Zähler zusammengeschmolzen (35:32) und nur ein erneuter Sadek Dreier, den man als Distanzschützen offensichtlich so gar nicht auf der Rechnung hatte, konnte eine halbwegs zufriedenstellende 43:37 Pausenführung erreichen.
In der Kabine haderte Coach Simon Bennett zu Recht mit der phasenweise letargischen Defensivhaltung und forderte in der zweiten Hälte durchgängig mehr Einsatz und Konzentration.
Doch genau das Gegenteil sollte eintreten. Ein 13:0 Lauf der Gastgeber drehte das Spiel innerhalb von wenigen Minuten und erst eine Grevenbroicher Auszeit vermochte diese indiskutable Vorstellung seit dem Wiederanpfiff zu stoppen. Die Anzeigetafel zeigte nun ein 52:45 für Recklinghausen und nun war es plötzlich an den Dickhäutern dem Rückstand hinterher zu laufen. Bis zum Ende des dritten Viertels wurde der Abstand auf den Gegner zumindest nicht größer (56:62), doch die Leistung der Erftstädter war in dieser Phase maximal als "dürftig" zu bezeichnen.
In der kurzen Pause vor dem Schlußviertel fand Simon Bennett daher auch markige Worte, die das Team wachrütteln sollten, denn mit noch so einer blutleeren Vorstellung wie im dritten Spielabschnitt würde man heute das Spielfeld garantiert als Verlierer verlassen.
Die Worte schienen auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein und insbesondere das Scharfschützen Duo Boksic-Nedzinskas war plötzlich voll bei der Sache. Insbesondere der Litauer hatte bislang weit unter seinen Möglichkeiten agiert und hatte noch keinen einzigen erfolgreichen Wurf verbuchen können. Doch das sollte sich nun ändern. In der 35. Minute traf "V" mit seinem ersten Korb aus der Distanz zum 64:64 Ausgleich und obwohl auch der nächste Ausgleichstreffer ging auf das Konto unserer Nummer 5.
Jetzt war Pfeffer im Spiel und beide Teams schenken sich nichts, wobei die Begegnung zu jedem Zeitpunkt ausgesprochen fair blieb. Milen Zahariev, der sich in der Defensive geradezu aufopferte, dem der Trainingsrückstand aber deutlich anzumerken war, ärgerte sich über seinen eigenen, unnötigen Fehlpass dermaßen, dass er sich aus Wut über sich selbst das Trikot bis zum Bauchnabel aufriss und Longoria nutze das Geschenk zum 68:68. Im Gegenzug traf Farid mit der Sirene aus vollem Lauf seinen dritten Distanzwurf und auch Marko traf für 3 zum 70:74. Doch Recklinghausen steckte nicht auf. US Pointguard Longoria verkürzte zum 73:74 und als Letailleur 50 Sekunden vor dem Ende die 75:74 Führung erzielte, sah sich weiß schon auf der Siegerstraße.
Im Gegenzug läßt Nedzinskas seinen amerikanischen Bewacher mit einer geschickten Täuschung ins Leere springen um anschließend zum 75:77 zu treffen. Auszeit Recklinghausen, der erste Wurf verfehlt sein Ziel, doch Turner angelt sich den Rebound und erzielt den Ausgleich. Nun heißt es Auszeit Grevenbroich und der in der Offensive starke Farid Sadek soll es im letzten Angriff des Spiels richten. Doch der Pointguard kann gegen den zwei Köpfe größeren Turner keinen erfolgreichen Wurf anbringen und es geht in die Verlängerung.
20 Minuten hatten die Schlossstädter in der regulären Spielzeit geführt. 17.22 Minuten hatten die Hausherren vorne gelegen. Beide hatten ausreichend Chancen, die Partie nach 40 Minuten für sich entscheiden zu können, doch jetzt war alles wieder offen.
Waren es die Gäste Scharfschützen, die diese Overtime ermöglicht hatten, so sollte es nun ein heimischer Dreierschütze sein, der das Spiel entscheiden wollte. Lokalmatador Kiki Bruns hatte bis zu diesem Zeitpunkt gerade mal 7 Zähler auf seinem Konto, doch nun ließ man den Shooter plötzlich völlig frei und dieser bedankte sich mit 6 Punkten in gerade mal 40 Sekunden. Im Gegenzug wird Farid Sadek durch ein Foul am Wurf gehindert, doch der sonst so sichere Freiwurfschütze trifft nur 1x von der Linie. Auf der Gegenseite macht es Longoria besser. Trotz eines Fouls von Sadek findet sein Wurf ins Ziel und auch der Bonus Wurf sitzt zum 86:78. Nach nicht einmal zwei Minuten in der Overtime scheint das Spiel endgültig entschieden.
Aber die Elephants geben nicht auf und nun schlägt die Stunde des Basti Becker. Schön von Nedzinskas in Szene gesetzt trifft das Urgestein hintereinander zum 86:82. Recklinghausen scheint geschockt. Verliert vorne mehrfach den Ball und weiß sich in der Verteidigung nur durch Fouls zu helfen. Boksic trifft drei Freiwürfe in Folge, doch den vierten, der den Ausgleich bedeutet hätte, setzt er daneben. Dafür trifft Letailleur zum 88:85 und wieder feiert sich Recklinghausen. Boksic ist das egal, denn im direkten Gegenzug schießt er Letailleur einen Dreier zum Ausgleich direkt ins Gesicht. Jetzt übernimmt der starke Longoria Verantwortung und zieht energisch zum Korb. Sadek kann den Amerikaner nur mit einem Foul stoppen. Es ist sein Fünftes, doch der US Guard trifft nur einen seiner beiden Freiwürfe. Bei Grevenbroich scheint der angeschlagene Boksic nun seine in der Woche gesparten Kräfte auf einen Schlag abzurufen. Auch in der Nähe des Korbes ist Marko nicht aufzuhalten (89:90) und weil Longoria erneut einen Punkt a der Linie liegen läßt trifft er auch zum 90:92.
Dieser Korb war der Todesstoß für Recklinghausen, denn nun geht bei den Gastgebern gar nichts mehr. Vorne ist der Grevenbroicher Korb vernagelt und der Versuch, erfolgreich die Uhr zu stoppen geht nach hinten los, denn Nedzinskas und Becker treffen sechs von sechs Freiwürfen zum 90:98 Endstand.
Der Litauer, der mit 14 Punkten in den letzten 10 Minuten maßgeblich zum Erfolg beigetragen hatte, konnte es nach dem Schlußpfiff kaum glauben: "Da liegst du in der Overtime mit 8 zurück und gewinnst dann mit 8. Aber so ist Basketball."
Und Marko Boksic, der von der Bank 28 Punkte erzielt hatte und nach eigener Aussage vor dem Anpfiff "so zwischen 80-85% fit sei" grinste mit Basti Becker beim obligatorischen Applaus für die mitgereisten Fans, die das Team toll unterstützt hatten, um die Wette.
Der Blick auf die Tabelle sieht nun auch schon etwas freundlicher aus, denn dort rangiert man punktgleich mit BG Hagen und Dorsten auf Rang 3 und am kommenden Samstag geht es gegen Aufsteiger Dortmund, bevor man am ungewohnten Montag Abend im Elephants Dome im Rahmen des WBV Pokals auf den ungeschlagenen Tabellenführer Düsseldorf trifft.